Darf ein Arbeitgeber die Probezeit verlängern?

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Kanzleiinhaber München

Der Arbeitgeber kann weder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsverhältnisses noch im laufenden Arbeitsverhältnis einseitig eine Probezeit festlegen oder gar verlängern. Gemäß § 622 Abs. 3 BGB bedarf eine Probezeit, so auch deren Verlängerung immer einer Vereinbarung; d.h. auch die Zustimmung des Arbeitnehmers.

Gleichfalls regelt § 622 Abs. 3 BGB, dass die Probezeit, wenn sie denn vertraglich geregelt ist, nicht über sechs Monate hinaus andauern darf. In der Rechtsprechung ist es umstritten, ob darüber hinaus eine Verlängerung bei Vorliegen besonderer Umstände möglich und zulässig sein kann. Dies wird wohl angenommen, wenn der Arbeitgeber anderfalls jedenfalls die Probezeitkündigung ausspricht; die Verlängerung der Probezeit also eine zweite bzw. nochmalig letzte Chance für den Arbeitnehmer ist. Allerdings bedarf es auch hier der Zustimmung des Arbeitnehmers zu dieser Verlängerung.

Eine andere Möglichkeit bietet sich ggf. aus § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG. Wenn besondere Umstände vorliegen (z.B. längere Erkrankung des Arbeitnehmers während der Probezeit oder Besonderheiten in der Tätigkeit) eine Befristung zur Erprobung vorzunehmen. Aber auch das setzt einen Vertragsschluss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Befristung mit Sachgrund der Erprobung voraus; kann also nicht einseitig vom Arbeitgeber ausgesprochen werden.

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Partner VAHLE KÜHNEL BECKER Fachanwälte für Arbeitsrecht PartG mbB Hamburg

Der Begriff Probezeit stammt aus dem Recht der Kündigungsfristen. Der einschlägige § 622 Abs. 3 BGB begrenzt die Dauer der zu vereinbarenden Probezeit auf maximal 6 Monate. In der aktuellen Literatur wird einheitlich davon ausgegangen, dass eine Verlängerung der Probezeit darüber hinaus keine Wirkungen entfalten, sondern nach ablauf der 6 Monate statt der zweiwöchigen Kündigungsfrist die sog. Grundkündigungsfrist (vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende) gilt.

Der Begriff der Probezeit ist nicht identisch mit dem der Wartezeit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 KSchG). Diese Wartezeit muss nicht vereinbart werden, sondern beträgt von Gesetzes wegen 6 Monate. Die Wartezeit kann nicht wirksam mit der Wirkung verlängert werden, dass der Eintritt des Kündigungsschutzes nach dem KSchG erst später eintritt.

Eine Verlängerung sowohl der Probezeit i.S.d. § 622 Abs. 3 BGB (nur für die Kündigungsfrist maßgebend) als auch der bedeutenderen Wartezeit i.S.d. § 1 Abs. 1 des KSchG über die Dauer von 6 Monaten hinaus ist somit weder durch eine einseitige Anordnung noch durch eine einvernehmliche Vereinbarung rechtswirksam möglich.

Das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2002 aber einen indirekten Weg zur Probezeitverlängerung aufgezeigt (so in den Jahren 2014 und 2015 auch zwei Landesarbeitsgerichte). Dort heißt es: „Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann also dem Arbeitnehmer regelmäßig noch am letzten Tag der Wartefrist ordentlich kündigen. Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt. Diese Grundsätze gelten auch für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag.“ Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung im konkreten Fall eine viermonatige Frist für zulässig erachtet, allerdings dabei auch ausgeführt: „Die Einräumung einer Kündigungsfrist von vier Monaten, die unterhalb der längsten tariflichen Kündigungsfrist liegt und dem Arbeitnehmer nur die Chance einer weiteren Bewährung und die Möglichkeit einer Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bietet, ist dabei angesichts des Zwecks der längeren Kündigungsfrist nicht zu beanstanden. Ob eine Verlängerung der Kündigungsfrist, die allein oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers liegt oder die längste tarifliche Kündigungsfrist überschreitet, zu beanstanden wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden.“ Insgesamt müssen bei Beschreitung dieses Weges einige Umstände beachtet und Fehler vermieden werden. Es steht aber eben ein indirekter Weg zur Probezeitverlängerung zur Verfügung.

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Antwort von Dr. Frank Dahlbender .
Ulrich Weber und Partner GbR Köln

Nein, die Verlängerung der Probezeit ist rechtlich wirksam nicht möglich. Dabei gehe ich davon aus, dass damit tatsächlich die Verlängerung der Wartezeit für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes gemeint ist (sechs Monate seit Beginn des Arbeitsverhältnisses).

Möglich und praktisch dasselbe ist aber, wenn der AG - ggfls. nach Anhörung des Betriebsrats - vor Ablauf der sechs Monate eine ordentliche Kündigung erklärt mit einer längeren Frist (etwa drei Monate zum Monatsende), als minimal möglich.

Oder er bietet dem AN zur Vermeidung einer Kündigung in der Probezeit "zur weiteren Bewährung" einen Aufhebungsvertrag an mit einem Beednigungstermin, der noch Zeit lässt für eine weitere Erprobung. Das ganze sollte nur am Ende nicht so aussehen, wie eine Umwandlung in ein befristetes Arbeitsverhältnis.

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Antwort von Robert C. Mudter .
Frankfurt (Main)

Auch wenn die Antwort nicht sehr beliebtes, es kommt drauf an. Ab der zeitlichen Grenze von 6 Monaten wird es jedenfalls schwierig. Dabei darf vor allem nicht die Probezeit mit dem Kündigungsschutz verwechselt werden.

Aus dem Link ergeben sich Details. Kündigungsschutz ist gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht und in dem Betrieb rechnerisch mehr als 10 Mitarbeiter vollzeitig tätig sind.

Meist zeitgleich gelten die 1. 6 Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Die Probezeit selbst regelt jedoch nur eine verkürzte Probezeit. Nach 6 Monaten, also nach Ablauf der Wartefrist, setzt der Kündigungsschutz ein.

Selbst wenn es also gelingt die Probezeit zu verlängern kann der Arbeitnehmer dennoch vor Kündigungen geschützt sein.

Um dies zu verhindern gibt es definitiv andere und bessere Wege als die Verlängerung der Probezeit

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