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Gute Frage.
Zunächst fällt mir dazu ein, dass Projekte bzw. Programme gerne "zugemüllt" werden, es also genau keine, oder keine ausreichend wirksame Priorisierung gibt. Dafür gibt es maßgeblich zwei Gründe: Zum einen hängt ja alles mit allem irgendwie zusammen und deshalb kann man "dieses Thema" doch auch noch in das Programm verorten ... Zum anderen ist eine Strategie der Veränderungsgegner, Programme so aufzublähen, dass sie nicht mehr ins Ziel kommen können.
Und dann ist die Priorisierung gerne eine, in irgendein Gremium verlagerte Entscheidung, die nicht wirklich von den Stakeholdern des Programms mitgetragen und vor allem verantwortet wird. Insofern braucht es eine ernstzunehmende gemeinsame Priorisierung, die auch in regelmäßigen Abständen (ja, gerne wöchentlich!) immer wieder gemeinsam hinterfragt und bestätigt werden muß. Keiner der Stakeholder darf sich auf eine Konsumhaltung (oder sonstwie Beobachterperspektive) zurückziehen. Nein, jeder ist für die getroffene Priorisierung tatsächlich verantwortlich und wird immer wieder mit den Inhalten und den ensprechenden Entscheidungen konfrontiert.
Für die Priorisierung von Projekten in einer Multi-Projektumgebung sind folgende Aspekte wichtig:
- wer priorisiert Projekte bzw. entscheidet über Prioritäten?
- wer bereitet die Entscheidungsgrundlage vor?
- auf welcher Grundlage (Kennzahlen) wird priorisiert?
Zu 1) Priorisierungen von Projekten bedeutet Zuordnung von Ressourcen (Personal und / oder Geld). Dafür braucht man Macht, viel Macht. Diese Entscheidungen sind Unternehmensentscheidungen und können nur vom entsprechenden Linienmanagement getroffen werden. Das ist in einer Multi-Projektumgebung also mindestens die Geschäftsführung, ggf. mit den Bereichsleitern. Am besten sind die relevanten Personen in einem übergreifenden Lenkungskreis (auch Steering Board, Steering Committe oder ähnlich) organisiert, der monatlich tagt und dem das gesamte Projekt-Portfolio berichtet wird. In diesem Gremium sollten dann entsprechende Priorisierungen erfolgen.
Zu 2) Die Vorbereitung entsprechender Priorisierungen ist viel Arbeit und bedarf einer gewissen Neutralität im Sinne des Unternehmens. Die Projektleiter der einzelnen Projekte haben sicherlich die notwendigen Informationen, haben aber keine Zeit für die Vorbereitung von Lenkungsausschüssen und sind keineswegs neutral. Für sie ist ihr Projekt das wichtigste und das ist auch richtig so. Die Entscheider selbst haben ebenfalls keine Zeit und sind oft auch nicht neutral, da sie mitunter ein eigenes "Lieblingsprojekt" promoten, ggf. sogar in der Rolle des internen Auftraggebers. Also bedarf es einer zusätzlichen Rolle - ein Ressourcenmanagement, PMO (Project Management Office), oder einfach nur eine zentrale Stabsabteilung. Diese "fleißigen Bienchen" sammeln die erforderlichen Informationen (Kennzahlen, Ressourcenbedarfe) aller Projekte und die Auslastungsplanungen aller Abteilungen ein und stellen so Ressourcenengpässe und Lösungsoptionen dar.
Zu 3) Neben der Darstellung von Ressourcenengpässen werden Kennzahlen benötigt, anhand denen die Projekte miteinander verglichen werden können - um klar zu erkennen, welche Projekte besonders bedeutsam für den Unternehmenserfolg sind und bei Priorisierungsbedarfen bevorzugt behandelt werden sollten. Eine wichtige Kennzahl ist der ROI (Return on Invest) - dieser besagt, wie schnell ein Projekt durch sein Ergebnis (Kostenreduzierung oder Ergebnissteigerung) das investierte Budget wieder ausgleichen kann. Je kleiner der ROI, umso schneller hat sich die Investition rentiert, umso bedeutsamer das Projekt. Da sich nicht jedes Projektergebnis in ökonomischer Form darstellen lässt, sollte es zusätzlich einen "strategischen Wert" (strategic score) geben, z.B. auf einer Skala von 1 - 10, je höher die Zahl, umso strategisch wichtiger das Projekt. Obligatorische Projekte (z.B. die Erfüllung von Gesetzesanforderungen) haben einen strategic score von 10. Beide Kennzahlen ergeben die beiden Achsen eines Projekt-Portfolios, in dem alle Projekte miteinander vergleichbar dargestellt werden., z.B. als Kreis, dessen Größe den Ressourcenbedarf darstellt.
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Eigentlich ganz einfach: Finden Sie heraus, welches die wichtigsten Projekte für den Unternehmenserfolg sind und sortieren Sie alle Projekte danach!
Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie die Unternehmensziele klar kennen. Meist gibt es hier mehrere Ziele gleichzeitig, die ausbalanciert werden sollten (z.B. kurzfristige und langfristige Ziele). Wenn Sie alle Ziele vergegenwärtigen, ergibt es eine prioirsierte Reihenfolge der Projekte.
Dann kommt allerdings der schwierigste Teil, an dem die meisten Priorisierungen scheitern: Eine realistische Abschätzung des Ressourcenbedarfs der wichtigsten Projekte (also meist Mitarbeiter, Geld und Fähigkeiten). Und dann die ehrliche Einschätzunge der Grenze des Machbaren. Wenn Sie hier eine Linie in ihre priorisierte Projektliste ziehen, dann wissen Sie, welche Projekte Sie NICHT mehr machen können. Und diese lassen Sie "einfach" sein. Auch wenn es weh tut.
Genau an dieser Grenzziehung scheitern jedoch etliche Vorhaben der Priorisierung in der Realität. Denn der Wunsch mehr zu können als man vermag, bringt dann leicht die Prioritäten durcheinander.
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