Welche Bedeutung hat das Menschliche im Zeitalter der Digitalisierung?

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Antwort von Birgit Gosejacob .
Leadership-Coach & Facilitator Birgit Gosejacob ::: Potenzial-Entdeckerin Moormerland

Gerade im Zeitalter der Digitalisierung kommt dem "Faktor Mensch" eine sehr hohe Bedeutung zu. Letztendlich ist es der Mensch der die Digitalisierung gestaltet. Durch die Digitalisierung können viele Standardprozesse vereinfacht oder automatisiert werden und so Freiraum geschaffen werden. Entscheidend ist, dass die Digitalisierung dem Menschen dient und nicht der Mensch der Digitalisierung!

Ein Beispiel aus dem Bereich Weiterbildung:

Klassische Weiterbildung geschieht in Präsenzseminaren zu festgelegten Terminen. Hier wird viel Inhalt in relativ kurzer Zeit sehr gebündelt an eine oft recht heterogene Gruppe von Teilnehmenden gegeben. Der eigentiche Praxistransfer passiert in Eigenverantwortung im Nachhinein und kommt oft zu kurz.  

Im Zuge der Digitalisierung sind sehr viele Methoden und Möglichkeiten entstanden, die ein sehr viel differenziertes Angebot ermöglichen - Überbegriff: Blended Learning. Hierunter fallen Lernformate, bei denen das Lernen mit elektronischen Medien und das Präsenzlernen didaktisch sinnvoll verbunden werden.

Dank der Digitalisierung kann das eigentliche Lernen deutlich individualisiert werden.  So können Selbstlernmaterialien wie z.B. WBT's, Lernskripte in unterschiedlichster Form, eine Bibliothek mit Links zu weiterführenden Informationen mit interaktiven Webinaren, virtuellen Gruppenaufgaben, Learning Nuggets zur Transferunterstützung usw. zu einem didaktisch sinnvollen Konzept verbunden werden,in welches ein oder mehrere Präsenztage eingebunden sein können, aber nicht müssen.

Die Digitalisierung, die solche Konzepte erst möglich macht, bietet hier die Grundlage für einen vollkommen anderen Lernprozess. Die Teilnehmenden haben deutlich mehr Eigenverantwortung, können in weiten Teilen den Lernprozess selbst zeitlich gestalten und sind bis auf Präsenzphasen geographisch vollkommen flexibel. Er ist aufgeteilt in verschiedene kurze Einheiten, zieht sich über einen längeren Zeitraum und bietet so die Möglichkeit bereits im Lernprozess selbst in den Praxistransfer zu gehen. Im Idealfall gibt es eine Online-Begleitung, die während des Gesamtprozesses unterstützt. Sollten ein oder mehrere Präsenztage eingebunden werden, stehen auch hier ganz andere Ziele im Fokus: Das Miteinander, der direkte Austausch - der Faktor Mensch.

Bei solchen Konzepten erwerben die Teilnehmenden immer auch sekundäre Kompetenzen, wie den Umgang mit verschiedenen Medien, Kollaboration über Entfernungen bis hin zum virtuellen Teambuilding. Da die Teilnehmenden bei solchen Konzepten über einen längeren Zeitraum in einer Gruppe gemeinsam arbeiten, entsteht ein ganz anderes und nachhaltigeres  "Miteinander" als bei klassischen Seminaren. Mit anderen Worten: Der Faktor Mensch rückt in diesem Fall Dank der Digitalisierung in den Mittelpunkt.

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Antwort von Dr. Wolfgang Karrlein .
Geschäftsführer der canmas business learning & consulting GmbH München

Die Bedeutung des „Menschlichen“ bleibt hoch, erfährt jedoch Veränderungen. Digitalisierung hat Effekte, die nicht technischer, sondern sozialer Art sind und damit Organisationsstrukturen wie Arbeitszusammenhänge und Führung betreffen.

Verstanden als Datenerhebung und Analyse anhand digitaler Technologien, hat Digitalisierung das Ziel, aus Daten wertvolle Informationen zu gewinnen, um bessere Entscheidungen zu treffen und erfolgreicher zu agieren. Durch den technologischen Fortschritt vollziehen sich Veränderungen immer schneller.

Arbeitszusammenhänge werden wichtiger, weil neben der veränderten Arbeitsteilung in Abteilungen und Stellen auch eine Abwanderung ganzer Prozessschritte in die digitalen Systeme geschieht. Damit einher geht eine Veränderung der Aufgaben und Stellen. Die Menschen müssen vermehrt in größeren Zusammenhängen denken, entscheiden und handeln. Dies erfordert eine intensive Zusammenarbeit. Die engere Verzahnung bringt höhere Anforderung an die Abstimmung mit sich, die auf Augenhöhe passieren sollte und auch eine Aufgabe der Autonomie der Stelleninhaber bedeuten kann.

Führung bedeutet, Entscheidungen zu treffen, wenn kritische Situationen auftreten. Führungspersonen beeinflussen Akteure und geben in solchen Lagen Orientierung, in denen die Strukturen der Organisation dafür wenig Anhaltspunkte bieten. Damit handelt eine Führungsperson agil und ermöglicht flexibleres Handeln der Akteure. Dadurch fördert agiles Führungshandeln die Kooperation und Kollaboration in den Zusammenarbeitsgefügen.

Oft wird unter Kollaboration und Digitalisierung („Kollaborationssoftware“!) ein mehr oder weniger reiner Informationsaustausch verstanden. Dies ist ein Missverständnis! Zwar können solche Systeme dafür sorgen, dass Informationen in Echtzeit jedem Beteiligten zur Verfügung stehen. Aber haben die Akteure so ein – ausreichend – gleiches Verständnis, was die Daten bedeuten und wie man damit abgestimmt handelt? Dazu braucht es einen intensiven Austausch unter den Akteuren. Kooperation und Kollaboration ist ein erfolgreicher Kommunikationsprozess – und somit hoch menschlich.

Lesen Sie dazu auch "Shared Leadership – ein Führungsansatz in unserer volatilen Welt" 

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Antwort von Ursula della Schiava-Winkler .
Geschäftsführerin Ursula della Schiava-Winkler Wien

Empathische Fähigkeiten sind besonders entscheidend. Wir haben für die Stärkung der Empathiefähigkeit eine eigene Übungschallenge entwickelt, gerne melden bei näherem Interesse über das Vorgehen 

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1 passende Publikation von Ursula della Schiava-Winkler

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Antwort von .

Für mich ist die Frage der Menschlichkeit unabhängig vom Zeitalter. Digitalisierung ändert daran zunächst nichts aus meiner Sicht. Allerdings wird Unmenschlichkeit (in der Führung) eklatant. Digitalisierung löst viele klassische Strukturen auf. Bisher musste ich mir einen Arbeitsplatz suchen, der in der Nähe meines Wohnortes ist. Digitalisierung macht es möglich, auch für weiter entfernte Arbeitgeber (und Auftraggeber) zu arbeiten. Möglicherweise werden wir auch für mehrere Arbeitgeber arbeiten und Mitarbeiter werden es sich aussuchen können. Sie werden sich Arbeitgeber aussuchen, bei denen das möglich ist und bei denen sie sich wohlfühlen. Das wird sich zukünftig in Fluktuation und Fachkräftemangel zeigen (in einigen Branchen ist das bereits jetzt sehr massiv erkennbar). Bisher hat sich das eher in innerer Kündigung gezeigt. Da fiel das nicht so auf. Jetzt fällt es massiv auf. Also: Ich glaube, das verändert sich nicht - es wird offensichtlicher.

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Antwort von Peter Rach .
Inhaber Peter Rach Team & Kommunikation Mömbris

Die Bedeutung fällt,...und steigt.

Gerade ist es hervorragend beobachtbar. Durch die digitale Vernetzung, Sozialen Medien, von Email, über Online-Konferenzen bis hin zu Smart-Phone-Messaging-Diensten und schließlich den Alexas und Siris dieser Welt, sprechen die Menschen immer seltener von Angesicht zu Angesicht miteinander. Die Menschen arbeiten sogar auf die Entfernung miteinander. Man hat einfach immer weniger mit echten Menschen zu tun. Dadurch verrohen die Sprache und die Umgangformen. Es gibt ja keine Unmittelbarten Konsequenzen durch mein Gegenüber. Letztlich führt diese Entmenschlichung unserer Welt auch zu immer weniger Empathie, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft. Die "zivilisierten" Menschen werden immer kälter und egoistischer. Man siehts in jedem Onlineforum, auf Twitter und Facebook. Glückwunsch, das haben wir gut hingekriegt!

Doch der Verlust des Menschlichen verursacht Kosten!

Raue Töne in Mails und Textnachrichten, fehlendes Vertrauen und fehlende Bindung führen im Unternehmenskontext immer mehr zu zeitaufwendigen Reibereien, mangelnder Kooperationsbereitschaft, zu teueren Konflikten. Arbeit bleibt auf der Strecke, die Komunikation stockt, interne Kämpfe fressen Ressourcen, Kundenbeziehungen gehen verloren, sinnlose Doppelarbeiten oder Arbeiten am Bedarf vorbei. Doch alle diese Kosten stehen in keiner Bilanz und fehlen in den KPIs. Aber sie erscheinen letztlich beim Kunden auf der Rechnung. Wettbewerbsfähig bin ich damit nicht.

Umsomehr steigt also m.E. die Bedeutung des Menschlichen. Ich glaube, dass wir die Masse der Menschen umso mehr dazu bewegen müssen, sich mit dem Menschlichen zu beschäftigen. Was geht in dem Menschen am anderen Ende der Leitung vor? Wie funktionieren Menschen? Was treibt sie an? Wie wirkt meine Kommunikation? Warum reagieren die Leute in manchen Situationen empfindlich oder aggressiv?

Dieses immer weniger gepflegte Knowhow wird in den nächsten Jahren immer mehr eine Schlüsselkompenz werde: für erfolgreiche Unternehmensführung, für erfolgreiche, erfüllte Lebensführung des Einzelnen, für eine erfolgreiche Gesellschaft, für eine bessere Welt.

Umso weniger verstehe ich den Trend zu Computer Based Training und Online-Konferenzen. An keinem Computer der Welt kann ich den Umgang mit Menschen traineren. Ich kann ein Rollenspiel nicht durch eine Simulation ersetzen und eine Teamentwicklung nicht im virtuellen Raum stattfinden lassen. Die wichtigsten Kanäle und Hebel fehlen.

Teamwork verschlechtert sich schon um ca. 80% allein dadurch, dass ein Teil des Teams in einem anderen Stockwerk untergebracht ist. Bei virtuellen Teams über 1000de Kilometer Entfernung fehlt komplett die so entscheidende Möglichkeit, Vertrauen und Bindung aufzubauen, in dem man sich mal eben informell über Freizeit, Vorlieben und Private Themen austauscht.  

Das Können im Umgang mit Menschen, Empathie und Emotionale Intelligenz werden in Zukunft mehr denn je wichtige komparative Vorteile für Unternehmen, Karriere und erfülltes Leben sein.  Manche Wissenschaftler oraklen schon, dass das "Menschliche" die Schlüsselressource des nächsten Kondratjew-Zyklus sein wird (das sollten Sie googeln).

 

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